16.4.2017 Irgendwo im tiefen Wald oberhalb von Amol, Iran.
Harziger Start im viel gelobten Persien, die Erwartungen sind riesig. Das haben sich die zwei etwas anders vorgestellt. Ein Grenzdrama in drei Akten:
1. Akt, der Zollpisser
Wir schreiben das Jahr 1395 im persischen Kalender. Die Türken verabschieden uns mit einem neckischen «Good Luck». Der nette Grenzbeamte der uns so lieb durch die Iranischen Mühlen der Bürokratie geleitete, der war in Wirklichkeit gar kein Grenzbeamter. Sondern ein eiskalt kalkulierender Zoll Agent. Am Ende seines einstündigen Bestrebens, liess er sich seine Dienste teuer bezahlen. Der Wicht. Dass er ein solcher Agent war, merkten die beiden Zipfelkappen erst, als er mit den Carnets und den Pässen in ein Taxi einstieg und Richtung «Versicherungsgesellschaft» davonfahren wollte. Das machen Grenzbeamte doch nicht. Oder? Kurzes aufbürsten, Bart zeigen und etwas (nur ganz bitzeli) böse schauen, und der Agent war Geschichte und wir endlich im Iran. Zu dem Zeitpunkt wussten die beiden noch nicht, dass er sie auch beim Geldwechseln gehörig über den Tisch gezogen hatte.
2. Akt, die Tankstellenverarsche die keine war
Benzin sei sozusagen gratis im Iran, das wussten sie. Auch, dass da was mit zwei verschiedenen Währung (Rial und Toman) war. Die Uhr auf der Zapfsäule zeigte jedenfalls 40’000, also eine 50’000er Note hingehalten und prompt vom Benzinschlauchhalter einen Zusammenschiss kassiert. Der Tankwärter wollte 500’000. Der Betrag auf der Säule wurde magisch gelöscht. Einen Beschiss gewittert, weigerten sie sich den Betrag zu zahlen. Dann ging’s richtig los, die Stimmung durch den Grenzübertritt vorbelastet, war der Zenness-Tank gar nicht mal mehr so gut gefüllt. Ein dahergelaufener Passant entschärfte die Situation dann etwas. Er erklärte uns, dass alles im Iran in Toman gerechnet und gehandelt wird, nicht in Rial wie auf den Geldscheinen aufgedruckt. 1Toman = 10Rial. Also bezahlt und beim Abfüller räudig entschuldigt. Erst im Verlauf der nächsten Tage haben die zwei begriffen, dass der Grenzpisser sie jämmerlich mit dem Wechselkurs beschissen hatte. Dann erst erklärten sich auch die vermeintlich die «hohen» Preise
3. Akt, der falsche Freund.
Immer noch an der Tankstelle, kam ein weiterer Passant zu uns. Nach etlichen Selfies von sich und uns, bot er an uns nach Maku in ein günstiges Hotel zu geleiten. Wir nahmen dankend an. Anstatt ins Hotel ging’s jedoch ins Judihui zum Haus seiner Familie wo er der Star- und wir vier die Handykamera-Opfer des gesamten Blocks wurden. Sie wollten ja nicht unfreundlich sein und liessen die Prozedur über sich ergehen. Endlich im (völlig überteuerten, dafür schäbigen) Hotel seines Freundes angekommen, wollte unser neuer Freund noch einiges an Kohle (fürs Benzin, wtf?). Stimmung im Keller. War das der hochgelobte Iran, von dem wir so viel Gutes gelesen hatten? Kaum. Wie sich die nächsten Tage herausstellen sollte, hatten wir einfach nur Pech. Grenzstädte halt. Es kam alles anders.
Der gute Iran
Kaum aus der Grenzstadt Maku raus, eröffnet sich uns der wahre Iran: Gute Strassen, stinkbilliges und leckeres Benzin, etwas chaotischer aber eigentlich angenehmer Fahrstil, atemberaubende Kulturstätten und als wahres Highlight, die Iraner selbst. Es vergeht fast kein Tag ohne eine Einladung zu jemandem nach Hause. Die Autofahrer hupen uns ständig zu, winken und halten die Daumen nach oben. Die Kinder rennen uns jubelnd nach. «Welcome to Iran» ertönt es aus jeder Ecke. Was für ein nettes Volk. Alle wollen wissen wo her wir kommen und wie wir den Iran so mögen. Sprachbarriere hin oder her. Bei Tank- oder Rauchstopps werden wir wie Rockstars gefeiert, zum Tee oder Essen eingeladen oder einfach nur fotografiert. Wir fahren weiter bis nach Tabriz wo sie uns in einer Garage einstellen und erst mal drei Tage Pause in einem kleinen Hotel einlegen. Die erste grössere Pause seit Abfahrt. Über 6500km sind wir nun von der Heimat entfernt. Emil und ich laufen weiterhin ohne Probleme, alles hält, alles läuft. Ab jetzt sind wir zu fünft. Klaasje, Burgis Freundin, stösst zu uns. Sie wird uns für die nächsten zweieinhalb Wochen begleiten. Von Tabriz aus erkunden wir Kandovan, ein kleines Dörfchen in den Bergen deren Häuschen in den Hinkelstein artigen Sandstein gegraben wurden. Die Reise geht weiter, auf nach Tehran. (Trompetenfanfare)
Wenige Kilometer von Tabriz entfernt, passieren wir nach einem kurzen Offroad Umweg farbige Berge (!). Grün, rot, gelb, ein ganzer Regenbogen von Gesteinsformationen. Beeindruckend. Die weitere Route führt uns über Ahar nach Ardabil in ein mächtig abgefucktes Hotel am See mit schimmelndem Frühstück und stinkenden Zimmern (dafür war’s wenigstens teuer). Schnell weiter, hoch hinaus über spektakuläre Bergstrassen und wieder hinunter durch Wälder an die Küste des Kaspischen Meers. In der Nähe von Rast schlagen sie in mitten einer Teeplantage am Wegesrand die Zelte auf, endlich mal wieder eine Nacht unter freiem Himmel. En route zur Hauptstadt überqueren wir die Abrozen ein zweites Mal, diesmal Richtung Süden. Die Iraner feiern gerade Noruz Fest, den Jahreswechsel von 1395 zu 1396. Der Kandovanpass zu Noruz ist die Iranische Variante der Gotthardroute zu Ostern – gar nicht mal so geil.
Es ist April, Haupttouristensaison. In Tehran begegnen wir vielen ü60 Reisegruppen. Vornehmlich Holländer, Franzosen und Deutsche. Dazu gesellen sich illustre Gruppos von hostelvorreservierenden Asiaten, Grrrr. Die letzteren machen uns das Leben schwer, viele billig Unterkünfte sind belegt und die Sternetempel massiv über Budget. Erschwerend kommt hinzu, dass Glazi und der andere uns jeweils irgendwo unterstellen müssen. Wir probieren es im einem Hostel downtown Tehran. Leider auch voll, so lädt uns der Besitzer spontan zu sich nach Hause ein, sie nehmen an. Am Boden auf Perserteppichen sitzend geniessen sie die Iranische Gastfreundschaft und erleben den anderen Iran, den der sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Wo Frauen Tanktops tragen und die Männer Arak, einen Dattel- bez. Traubenschnapps, trinken saufen. Es gesellen sich einige Freunde des Gastgebers hinzu. Interessante Gespräche und feines Essen sollten folgen. Dann stellen uns die beiden Penner doch tatsächlich einfach in den Hinterhof des Wohnblocks und fahren mit bequemen und billigen VIP Bussen Richtung Süden. Die reifenverschleissenden Strassen seien langweilig und lang, Hostels in den Städten besser zu finden ohne uns und dank Nachtbussen einiges an Übernachtungskosten einzusparen. Schwuchteln.
Nach sechs oder sieben Tagen kehren die drei hier nach Tehran zurück. Mit Schafskopf im Magen und Geschichten von gigantischen Moscheen in Esfahan, 2000 Jahre alte Steinhaufen in Persepolis und aus Lehm und Stroh gebauten Häusern in Yazd im Gepäck. Interessiert mich aber alles nicht, bin beleidigt. Schaut Euch einfach die Fotos an.
Es zeigt sich, oh Wunder, dass der Iran (für Menschen) gar nicht mal so einfach zu bereisen ist. Die strengen Embargos verhindern den Gebrauch von Kredit- oder Debit Karten gänzlich. Cash mitbringen ist also angesagt. (Klaasje sei Dank haben wir nun auch genug). Wechselstuben sind nicht an jeder Ecke zu finden und der Wechselkurs, dank der starken Inflation volatil. Ab und an spricht mal einer ein paar Brocken Englisch, tendenziell aber eher nicht. Das Internet ist als Informationsquelle besch..eiden. Praktisch alle Seiten (z.B. von Busunternehmen oder Hostels) sind in Farsi und die, die ins Englische übersetzt sind, sind häufig durch die konservative Regierung gesperrt. Ein VPN Client schafft hier zwar Abhilfe, jedoch sind die öffentlichen WiFi’s so langsam, dass einem das Gesicht einzuschlafen droht. Die Touristinnen leiden in der Hitze ausserdem unter der repressiven Kleiderordnung. Arme und Beine dürfen nicht sichtbar sein und das Haupthaar gilt es mit einem Hijab (Kopftuch) zu bedecken. Den Visamarathon lassen wir mal bei Seite. Und dann ist da noch der Alkoholbann. Böser Aklohol. Plan B fällt also ständig «ins Wasser». Sonst hat man an einem langweiligen oder sonst wie mühsamen Ort ja immer noch die Möglichkeit sich gepflegt zu betrinken und alles wird wieder gut, zumindest bis zum nächsten Morgen. Die Wahl dieser Option, sofern man denn gewillt ist in Schwarzmarktkreisen zu verkehren, führt bei Entdeckung durch die Sittenwächter, Polizei, Regierungsspitzel oder Militärs zu sofortiger Inhaftierung mit unsicherem Ausgang. Die drei machen das Beste draus und bilden sich zu Tee-Sommeliers weiter. Schwarztee, Grüntee, Safrantee, Jasmin und Hibicus um nur einige zu nennen. Kaffee ist leider auch keine Option, wer trinkt schon freiwillig Nescafé he? Barbaren. Das wunderschöne an all diesen touristischen Umständen ist, dass die Iraner einem über jede Hürde helfen und wenn sie selbst nicht können, dann ist da ein Freund der kann. Die drei können die Menschen hier nicht mit genug Lob überschütten. Ganz viele Nationen, inklusive der Schweiz, könnten sich ein fettes Stück vom Iranischen Freundlichkeitskuchen abschneiden.
Tourismusgesättigt schwingen sich die drei, so wie es sich gehört, wieder auf unsere Sattel und fahren über den 2700m (Rekord) hohen Imamzadeh Hashem Pass gen Norden in Richtung Amol. In einem Naturschutzgebiet geht es bergauf durch einige Schlammpassagen vorbei an Auen und Bächlein auf eine Anhöhe mitten in einem verzauberten Buchenwald. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, wir sind im Heimatland hier, jedenfalls nicht im Iran. Zwitschernde Vögel, Kuhglockengeläute und kein Imam-Geschrei um fünf Uhr morgens. Drei vier Tage verbringen wir hier oben im Wald, keine Menschen- oder Motorenseele weit und breit. Ab und zu läuft mal eine Kuh oder ein paar Pferde an uns vorbei. Sie bauen ein kleines Camp auf mit Tisch, Küche und Blachendach. Das 3kg schwere Schafgigot vom Metzger verwandelt Burgi zu herrlichem Braten mit Rüebli, Herdöpfelstock und Rosmarinsauce. Ein Gedicht (sagt zumindest der fette). Es ist der Ort an dem diese Zeilen entstehen.
Morgen Übermorgen ziehen wir weiter in Richtung Gorgan, dort soll es einen Schlammvulkan geben, klingt doch nett. Und wenn wir nicht zugeschlammt werden, dann steht das nächste Abenteuer vor der Tür: Turkmenistan…
Kodahafez
Lisi